
Mehr als nur Schlaf: Die sieben Arten von Erholung – und warum Frauen sie besonders brauchen

Von Dr. med. Anne Latz, Ärztin für Lebensstilmedizin, Psychosomatik & Prävention
Warum Müdigkeit oft mehr ist als Schlafmangel
„Ich bin so erschöpft, obwohl ich doch eigentlich genug schlafe.“ – Diesen Satz höre ich als Ärztin für Lebensstilmedizin fast täglich. Vor allem Frauen zwischen 30 und 60 berichten von anhaltender Erschöpfung, innerer Unruhe oder dem Gefühl, ständig „on“ zu sein – beruflich, familiär, mental. Viele glauben, dass mehr Schlaf die Lösung sei. Und ständiger Schlafmangel somit ihr Problem. Doch Erholung ist vielschichtiger als eine gute Nachtruhe. Und bietet somit auch Alternativen, wenn Lebensanforderungen erholsame Nächte erschweren.
Die US-amerikanische Ärztin Dr. Saundra Dalton-Smith hat sieben Arten von Erholung definiert. Dieses Konzept ist besonders hilfreich für Menschen – insbesondere Frauen –, die mitten im Leben stehen, viel leisten und oft ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellen.
1. Physische Erholung – aktiv und passiv
Die körperliche Erholung ist das, woran wir zuerst denken: Schlaf, Pausen, ein entspannendes Bad. Doch körperliche Regeneration hat sogar zwei Seiten:
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passiv: Schlaf, Liegen, Ruhephasen – sie geben dem Körper Zeit, sich zu regenerieren.
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aktiv: sanfte Bewegung wie Yoga, Stretching oder Spaziergänge fördern die Durchblutung, lösen Verspannungen und beschleunigen die Erholung.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Frau mit chronischen Rückenschmerzen profitierte nicht nur von mehr Schlaf, sondern vor allem von 15 Minuten Yoga am Morgen. Diese aktive Erholung stärkt die Muskulatur, lindert Schmerzen und verbessert ihr Energielevel.
2. Mentale Erholung – Denkpausen schaffen
Im Alltag jonglieren viele Frauen Job, Familie und soziale Verpflichtungen. Multitasking, Grübeln und Informationsflut führen zu mentaler Überlastung. Mentale Erholung bedeutet, kurze Pausen für das Gehirn zu schaffen – ohne Input, ohne To-do-Liste, ohne Bildschirm.
Alltagstipp: Plane feste „digitale Stillzeiten“, z. B. morgens nach dem Aufwachen oder abends vor dem Schlafengehen. Für viele funktioniert ein “Digital Sunset” zum Abend gut. Schon wenige Minuten ohne Nachrichten, Mails oder Social Media können das Gedankenkarussell beruhigen.

3. Emotionale Erholung – Raum für Gefühle
Frauen übernehmen oft emotionale Verantwortung für andere: als Partnerin, Mutter, Freundin oder Kollegin. Häufig bleibt dabei kein Platz für die eigenen Gefühle. Emotionale Erholung bedeutet, sich selbst Authentizität zu erlauben – Gefühle wahrzunehmen, zu äußern und Grenzen zu setzen.
Ein ehrliches Gespräch mit einer vertrauten Person, das „Nicht-funktionieren-müssen“ in einem Coaching oder eine therapeutische Begleitung können dabei helfen. Auch ein Emotions-Tagebuch – täglich notieren, was man gefühlt hat, was gut getan und was ausgelaugt hat – schafft Klarheit und Entlastung.
4. Soziale Erholung – die Qualität der Beziehungen zählt
Nicht jede Begegnung schenkt Energie. Soziale Erholung meint, Zeit mit Menschen zu verbringen, die uns wohlwollend und authentisch begegnen. Es sind die Beziehungen, in denen wir einfach „sein“ dürfen – ohne Erwartungen oder Leistungsdruck.
Frage dich: Mit wem fühle ich mich ehrlich gesehen und angenommen? Gönne dir gleichzeitig auch Pausen von sozialen Kontakten, wenn du im Alltag viel gibst, etwa in einem helfenden Beruf.

5. Sensorische Erholung – Reizreduktion
Reizüberflutung durch Bildschirme, Lärm, grelles Licht oder Push-Nachrichten ist ein unterschätzter Stressfaktor. Besonders hochsensible Menschen oder Personen mit chronischen Erschöpfungssyndromen leiden darunter. Ständiges On-Sein führt zu Time Confetti, was Frustrationen auslösen kann, wenn die Zeit scheinbar “ungenutzt” verrinnt.
Sensorische Erholung bedeutet, stille und reizarme Räume zu schaffen. Schon 10 Minuten mit gedimmtem Licht, ohne Bildschirm und ohne Musik helfen, das Nervensystem zu beruhigen. Ein bewusst gestalteter „Low-Stimulus“-Raum kann zur täglichen Oase werden.
6. Kreative Erholung – Inspiration statt Leistung
Kreative Erholung schenkt neue Energie, ohne dass Leistung im Vordergrund steht. Sie entsteht nicht durchs Nichtstun, sondern wenn wir uns mit Schönheit und Inspiration verbinden: durch Malen, Schreiben, Musik, Naturerlebnisse oder Gärtnern.
Viele Frauen, die im Alltag viel organisieren und funktionieren müssen, verlieren den Zugang zu ihrer kreativen Seite. Doch gerade diese Quelle von Fantasie und Lebensfreude kann neue Kraft schenken. Probier etwas Neues aus oder reaktiviere ein altes Hobby.
7. Spirituelle Erholung – Sinn erleben
Spirituelle Erholung bedeutet, Teil von etwas Größerem zu sein und inneren Halt zu finden. Das kann über Religion geschehen, aber auch über Meditation, Achtsamkeit, Rituale, Gemeinschaftserlebnisse oder inspirierende Literatur. Studien zeigen: Menschen mit einem Sinngefühl sind resilienter, weniger gestresst und oft gesünder.

Fest steht: Erholung ist multidimensional – und unverzichtbar
Viele Frauen sind erschöpft, nicht weil sie zu wenig schlafen, sondern weil eine oder mehrere dieser sieben Erholungsformen fehlen. Schlaf allein reicht nicht – so wie eine Pflanze nicht nur Wasser, sondern auch Licht, Nährstoffe und Zeit zum Wachsen braucht. Oft helfen kleine Rituale, diese Inseln der Erholung in den Alltag zu integrieren - mit Ancient + Brave kann die Mikropause wunderbar mit einem Matcharitual zur sensorischen Erholung oder zum emotionalen Check-in genutzt werden.
Als Ärztin für Prävention und psychosomatische Gesundheit empfehle ich:
Mach regelmäßig einen „Erholungs-Check-in“.
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Wo tanke ich gerade wirklich auf?
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Was oder wer raubt mir Energie?
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Wann am Tag ist meine Erschöpfung besonders groß?
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Welche Art von den sieben Typen von Erholung kommt zu kurz?
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Was kann ich in meinem Alltag in einem Erholungstyp konkret ändern?
Erholung ist kein Luxus. Sie ist eine medizinisch notwendige Ressource – besonders für Frauen, die viel geben und lernen dürfen sich selbst ebenso zu nähren.
Buch: Dr. Saundra Dalton-Smith: Sacred Rest