Warum Frauen Fette brauchen
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Es ist wieder Zeit für den Wocheneinkauf. Du schlenderst durch die Gänge, greifst nach deinen Lieblingsprodukten – und bleibst vor dem Kühlregal stehen. Dein gewohnter Joghurt ist natürlich fettfrei – ist ja gesünder, oder?
Seit Jahrzehnten wird Fett als der Bösewicht dargestellt. Ganze Generationen haben es aus ihren Mahlzeiten verbannt. Diese Idee sitzt so tief in unserer Kultur, dass wir sie kaum noch hinterfragen. Aber was, wenn wir damit falsch lagen?
Die unterschätzte Rolle von Fett
Fett ist kein Nebendarsteller auf der Nährwerttabelle – es gehört zu den drei essenziellen Makronährstoffen. „Makro“ bedeutet groß, wichtig, unverzichtbar. Proteine, Kohlenhydrate und Fette – dieses Trio braucht unser Körper täglich in größeren Mengen, um richtig zu funktionieren. Unsere Vorfahren wussten das: Fett war für sie eine wertvolle Quelle von Energie, Sättigung und Nährstoffen.
Heute leben wir in einer Welt, die gerne einen Sündenbock sucht. Und so wurde Fett in eine simple Schwarz-Weiß-Debatte gedrängt – gut gegen böse.
Dabei ist Fett die Grundlage jeder einzelnen Körperzelle. Es ist die Rohsubstanz für unsere Hormone, schützt unsere Nerven und sorgt dafür, dass wir die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K überhaupt aufnehmen können. Ohne Fett würde unser Gehirn – das zu rund 60 % aus Fett besteht – nicht richtig arbeiten. Unsere Haut würde an Spannkraft verlieren, unsere Hormone aus dem Takt geraten und unsere Energie schnell verpuffen.
Ziemlich wichtig, dieses Fett, oder? Doch wie immer gilt: Nicht alle Fette sind gleich. Und nein, es geht auch nicht darum, nur noch Fett zu essen. Aber es komplett zu meiden? Auf keinen Fall.
Es ist Zeit, die Geschichte neu zu erzählen, die Zwischentöne zu erkennen – und Fett wieder seinen Platz auf dem Teller zu geben.

Fett – nicht immer ein Schimpfwort
Jeder Teil unseres Körpers besteht aus Zellen. Millionen davon, in wunderbarer Vielfalt. Und in diesem komplexen Zusammenspiel ist Fett überall: in den Zellmembranen, in den Hormonen, in den Gedanken, die wir denken.
Warum also meiden wir es so konsequent?
Ein Blick zurück ins Jahr 1977 hilft: Neue US-Ernährungsrichtlinien warnten damals eindringlich vor Fett – vor allem vor gesättigten Fetten – und verbanden deren Konsum mit einem erhöhten Risiko für Herzkrankheiten.
Die Botschaft verfing. Die Lebensmittelindustrie sprang auf den Zug auf – und überflutete die Supermarktregale mit fettarmen Alternativen: Joghurts, Streichfette, „Light“-Produkte.
Doch wenn Fett fehlt, muss etwas anderes seinen Platz einnehmen. Meist waren das Zucker, künstliche Verdickungsmittel oder stark verarbeitete Inhaltsstoffe, die den Geschmack und das Mundgefühl von echtem Essen imitieren sollten. Die Folge? Eine Generation von Konsument:innen, die mit Blutzuckerschwankungen, Heißhunger und einem gestörten Verhältnis zu echten, nährenden Lebensmitteln kämpfte – und gleichzeitig dachte, sie handle gesund.
Der größte Schock? Die ursprüngliche Studie, die Fett verteufelte, war fehlerhaft. Neue, solide Forschung führte 2015 zu überarbeiteten Ernährungsempfehlungen – ohne direkten Zusammenhang zwischen Fettkonsum und Herzkrankheiten. Doch während sich die Wissenschaft weiterentwickelt hat, sind kulturelle Gewohnheiten hartnäckiger. Besonders Frauen begegnen Fett noch immer mit Skepsis – obwohl es gerade für sie essenziell ist.

Dein Verbündeter – nicht dein Feind
Frauen und Fett – das ist eine besondere Verbindung. Schon lange vor modernen Diäten und Kalorienzählerei galt Fett in vielen Kulturen als heiliges, Leben spendendes Gut – gerade für Frauen. Es stand für Fruchtbarkeit, Vitalität und Stärke. Viele indigene Gesellschaften kannten „heilige Nahrungsmittel“ – besonders nährstoffreiche, fetthaltige Lebensmittel, die Frauen, Kindern und Älteren vorbehalten waren.
Denn Fett ist unser Fundament – für hormonelle Balance, stabile Zellstrukturen und langfristige Energie. Warum es für Frauen so wichtig ist:
1. Hormonelle Balance
Das weibliche Hormonsystem braucht Fett – und zwar vor allem Cholesterin, das viele eher als negativ kennen. Doch es ist der Grundbaustein für die Geschlechtshormone Östrogen, Testosteron und Progesteron. Diese Hormone steuern Zyklus, Fruchtbarkeit, Stimmung und Knochengesundheit. Ein Mangel an gesundem Fett kann zu Unregelmäßigkeiten, Libidoverlust, Stimmungsschwankungen und sogar Fruchtbarkeitsproblemen führen. Frauen mit sehr niedrigem Körperfettanteil verlieren oft ihre Periode (Amenorrhoe).
2. Gehirnleistung & emotionale Stabilität
Unser Gehirn ist besonders reich an Omega-3-Fettsäuren – vor allem DHA, das für Konzentration, Klarheit und Stimmung wichtig ist. Studien zeigen: Wer ausreichend Omega-3 zu sich nimmt, hat ein geringeres Risiko für Angstzustände und depressive Verstimmungen. Diese Fettsäuren unterstützen Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin – was erklären könnte, warum Frauen mit einer fettreichen Ernährung aus natürlichen Quellen wie fettem Fisch, Nüssen oder Samen oft von besserem Fokus, weniger „Brain Fog“ und mehr Gelassenheit berichten (1).
3. Strahlende Haut & starke Barriere
Unsere Hautbarriere besteht aus Lipiden – also Fetten. Gesunde Fette in der Ernährung unterstützen Hautfeuchtigkeit, Elastizität und Schutz. Besonders Omega-3 aus Fisch oder Algen wirkt regenerierend (2). Auch Omega-6 und -9 spielen eine Rolle. Eine seltene, aber kraftvolle Fettsäure ist Omega-7 – zu finden in Sanddorn, Macadamianüssen und Fischen wie Sardellen und Lachs. Studien deuten darauf hin, dass Omega-7 die Kollagenbildung unterstützt, Entzündungen reduziert und die Hautbarriere stärkt (3). Darüber hinaus hilft es auch, Schleimhäute zu schützen – etwa im Darm, an den Augen oder im Vaginalbereich.
4. Stoffwechsel & Energie
Fett macht nicht automatisch dick. Im Gegenteil: Gesunde Fette machen satt, stabilisieren den Blutzucker und fördern einen flexiblen Stoffwechsel. Ein gut versorgter Körper ist keiner, der ständig auf der Suche nach dem nächsten Zuckerschub ist.

Grünes Licht für Fett?
Fett ist ein essenzieller Nährstoff – keine Frage. Doch wie bei allem im Leben kommt es auf Qualität und Menge an. Manche Fette – etwa mehrfach ungesättigte – sind hitzeempfindlich und können beim Braten oxidieren. Deshalb: lieber zurückhaltend mit Frittiertem sein.
Es gibt faszinierende Studien zu fettreichen Low-Carb-Diäten wie Keto – vor allem im Zusammenhang mit Epilepsie, kognitivem Abbau oder dem Stoffwechsel. Doch grundsätzlich gilt: Qualität vor Quantität.
Zu viel Fett – besonders aus stark verarbeiteten Quellen, gehärteten Fetten oder minderwertigen Ölen – kann Entzündungen fördern und das Gleichgewicht im Körper stören. Deshalb: Lieber auf hochwertige Quellen aus echten Lebensmitteln setzen – Nüsse, Samen, Avocados, kaltgepresstes Olivenöl. Ernährung darf vielfältig, bunt und ausgewogen sein – mit echten Zutaten und einem liebevollen Blick auf den eigenen Körper.
Welche Fette sollten Frauen besonders beachten?
Die Omegas:
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Omega-3 – der entzündungshemmende Verbündete
Für Gehirn, Herz, Sehkraft und Hormone. Quellen: fetter Fisch, Algen, Leinsamen, Chiasamen, Walnüsse, Weiderind. -
Omega-6 – eine Frage der Balance
Wichtig, aber oft überrepräsentiert in Fertigprodukten. Besser: Hanfsamen, Walnüsse, Nachtkerzenöl – möglichst in naturbelassener Form -
Omega-7 – Haut & Schleimhautschutz
Unterstützt Feuchtigkeit und Regeneration von Haut und Schleimhäuten. Enthalten in Sanddorn und Macadamianüssen. -
Omega-9 – Hormonfreund & Stoffwechsel-Booster
Gut für Hormone, Insulinempfindlichkeit und Herzgesundheit. Zu finden in Olivenöl, Avocados, Mandeln, Haselnüssen.
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Gesättigte Fette – die Rückkehr zur Ehre
Lange verteufelt, heute wieder rehabilitiert. Gesättigte Fette sind wichtig für Zellstrukturen, Hormone und Energie.
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Weidebutter & Ghee – enthalten fettlösliche Vitamine, CLA und Butyrat für einen gesunden Darm.
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MCT-Öl & Kokosöl – liefern schnelle Energie und unterstützen Gehirn & Stoffwechsel.
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Eigelb – reich an Cholin, Cholesterin und Vitamin D für Gehirn und Hormone.
Zeit, Fett wieder auf den Teller zu bringen
Beim nächsten Joghurt im Supermarkt: Denk daran – dein Körper braucht keine Einschränkung, sondern echte Nährstoffe. Gesunde Fette gehören dazu. Wähle abwechslungsreich, achte auf Qualität – und verabschiede dich vom alten Low-Fat-Denken.
Nicht jeder Ernährungstrend überdauert die Zeit. Doch manche Weisheiten – wie die Bedeutung echter Lebensmittel und unsere biologische Natur – sind zeitlos. Vertrauen wir ruhig öfter darauf, dass die Natur weiß, was sie tut.